Susi Hofmann, 28. 10. 2007 Zürcher Oberländer Zeitung

Sitzberg Sprachlich-musikalische Leckerbissen mit Anneros Hulliger und Marlise Fischer

Die vielen klanglichen Facetten der Mundart

"Wörter-Musig u Ton-Gschichte" ist ein spezielles Programm: Die Berner Musikerin Annerös Hulliger hat es mit Schauspielerin Marlise Fischer erarbeitet und in Sitzberg präsentiert.

Dass die Schweizer Mundart und der Berner Dialekt so viele klangliche Facetten in sich bergen, ist man sich bewusst, vergisst es aber so leicht. Schauspielerin Marlise Fischer gibt einen Blick in diesen Schatz preis und bringt Lyrik aus Schweizer Federn in Einklang mit musikalischen Kostbarkeiten - ebenfalls aus der Schweiz.

Urtümlicher Reiz

Organistin Annerös Hulliger, die seit rund zehn Jahren zweimal jährlich in der Kirche Sitzberg konzertiert, hat ein Programm mit Sprache und Musik zusammengestellt, das durch den urtümlichen Reiz besticht, zum Schmunzeln und zum Nachdenken anregt. Zweimal empfingen sie und ihre Kollegin die sonntäglichen Besucher in der Kirche hoch über dem Tösstal.
Was der Solothurner Ernst Burren mit wenigen, aber träfen Worten an Lebensweisheiten festhält und wie Christian Schmid die leisen Töne in den Raum purzeln und verhallen lasst, weiss Schauspielerin Marlise Fischer mit viel Feingefühl und sprachlichem Temperament zu interpretieren. "Rede cha jede", aber wie ist es mit dem Erzählen und dem Zuhören?
Marlise Fischer geht mit ihrer Berner Mundart um, als wäre sie ein Topf bunter Farben, setzt Akzente, bringt Schwung und Gestik in die trockenen Ausdrücke, belebt mit einer Mimik, die schroff und dramatisch ist, die auch zärtlich die Transparenz anzupft und die, gepaart mit derbem Wortwitz, die empfindlichsten Stellen trifft.

Schweizer bleiben Schweizer

"Mir Schwizzer", die satirisch geschriebene Karikatur des Langnauers Ernst Eggimann, trifft ins Schwarze. "Nur" mit Betonung und Akzentuierung variiert die Schauspielerin die Bedeutung des Wortes: Schweizer bleiben Schweizer.
"S isch nüme wie aube", und mit dem Hin und Her des Wegweisers setzt sie nachdenklich stimmende Gedankensplitter zu den sechsmal variierenden "GuggisbärgIieder"-Kompositionen von Annerös Hulliger. Glanzvolle Abrundung verleihen die Orgelsätze des Berner Organisten Johann Martin Spiess.

Ein Berg farbigerTräume

Natürlich fehlt der mittlerweile 86-jährige Pfarrer-Poet Kurt Marti nicht. "Öppis isch geng", stellt er in seiner "Kontinuität" fest, und er geht mit dem "Gitzi" in der Stadt Lausanne spazieren, schlendert durch Gümligen, sieht im "Chindlifrässerbrunnen" das Gefressen werden der Kleinen, erlebt auf der Riederalp einen ganzen Berg farbiger Träume. Marti weiss auch, was Musik ist, hört in seinen Worten bereits den Klang, den die Organistin aus den Tasten holt.

Kirchenmusik, Tanzbodenromantik

Mit gedämpften und auch allegroleichten Moll-Sätzen, mit virtuosen Variationen und heroischen Klängen - alles aus der Feder von Schweizer Komponisten - weiss Annerös Hulliger die Klänge der Worte aufzufangen und weiter zu Ton-Geschichten auszubauen. Damit öffnet sie ein zuverlässig einstudiertes und lebendig registriertes Klangspektrum von kirchlichen Orgelwerken wie auch von Tanzbodenromantik. Wie Schottisch und Walzer die Kirchenorgel unaufdringlich in Schwung versetzen, weiss sie ebenso, wie die anonym geschriebene Sonate in D-Dur aus dem Kloster Einsiedeln die kleine Kirche mit klanglichem Glanz erfüllt.

"Öppis angers* mit Sprachwitz und Bach'schen Kuckucksrufen setzen die beiden Berner Künstlerinnen einen Zuckerguss auf den sprachlich-musikalischen Leckerbissen, den sie Hand in Hand ebenso feinfühlig wie enthusiastisch meistern.



 

 

   
 

 

 
   
Letzte Aktualisierung: 30.12.2007